Machtlos aber so wichtig: die „Unkrebse“

Die Angehörige, Partner*innen und Freunde*innen - die "Unkrebse"

Alle stehen völlig machtlos, ratlos und ohne jegliche Vorstellung, wie der Krebspatient zu behandeln ist und genauso wie der Patient selbst vor eine völlig neuen Lebenssituation.
Dabei sind sie die wichtigsten Personen, die den Patienten effektiv und emphatisch unterstützen können. Sie können den Heilungsprozess sogar entscheidend beeinflussen.
In die eine oder auch andere Richtung.
 
Aber keiner sagt ihnen, wie.
 
Stufe I „Die Nachricht der Diagnose“
Der Patient wird plötzlich und unvermittelt mit dem Gedanken „ich werde vielleicht Sterben“ brutal und ohne Vorbereitung konfrontiert.
Der Angehörige auch.
Auch ihm gehen tausend schlimme Gedanken durch den Kopf:

Wie schlimm wird es? Wie viele Schmerzen wird er/sie haben?
Wie wahrscheinlich ist der Tod?
Wenn nicht, welche Einschränkungen werden wir haben?
Wie gehe ich mit dieser Nachricht verdammt nochmal um? Wie verhalte ich mich meinem Partner so gegenüber, dass er sich bestmöglich fühlt?
Wie bin ich eine optimale Hilfe, faktisch und mental?
Und vieles, vieles mehr ...

Keiner gibt hierauf eine Antwort. Psychologen geben keine Ratschläge, sondern man soll alles natürliche und authentische aus sich herausholen und seine eigenen Befindlichkeiten vollkommen zurück stellen. Es geht nur noch um den Patienten – nicht mehr um dich!  (Was für ein wahnsinniger Unsinn!)

Heiler und Therapeuten geben Ratschläge, die aus Lehrbüchern und Gedanken kommen, die noch nie eine solche Nachricht selbst verarbeiten mussten. Ratschläge, die oftmals gefährlich nach hinten losgehen.

Ganz abgesehen davon, dass man keinen Onko-Psychologen oder Onko-Therapeuten auf Krankenkasse bekommen kann und diese privat für 95 % der Betroffenen schlicht unbezahlbar sind.

Dabei ist es so einfach:
Die Nachricht KANN nicht einfach so verarbeitet werden! Man kann sich darauf vorbereiten, wie man will – wenn sie dann tatsächlich kommt, ist es wie ein Schuss mitten ins Herz.

DAS darf man auch als Angehöriger, Partner und Freund zeigen!
Der Patient braucht das Gefühl, dass man einfach mit-leidet.

Der Patient erwartet keine Superkräfte als Laienpsychologe, sondern Empathie und Nähe.

Stufe II: Die OP.
Ich habe meine Frau in den letzten fünf Jahren über 380 Tage im Krankenhaus begleitet. Oftmals Tag und Nacht. Dabei konnte ich feststellen, dass die Bettnachbarn der Onkologie-, Neurologie-, Chirurgie- und Intensivstationen im Durchschnitt höchstens einmal pro Woche für 1-2 Stunden besucht wurden. Das ist unglaublich traurig und für die Patienten die erste Erfahrung der faktischen Einsamkeit.
Aber warum ist das so? Auf Nachfragen hörte ich meistens, dass die Angehörigen einfach mit der Situation nicht umgehen können. Angst vor Krankenhäusern, Angst vor Ansteckung (Unsinn) und vor allem: 
völlige Ahnungslosigkeit, was man mit dem Patienten denn besprechen oder wie man mit ihm umgehen soll.

Das ist nachvollziehbar!

Dabei ist es ganz einfach:
ganz normal behandeln, zuhören und vieles mitbringen und besprechen, was aus der „normalen“ Welt kommt. Auußerhalb der Besuche bewusst Dinge aufnehmen, die man dem Patienten später erzählen kann. Aus der Familie, den Nachrichten, Freunden und der Arbeit.
Der Patient wird dabei immer schnell müde und muss die Gespräch oft abbrechen. Das ist ok und dann wartet man eben.
Der Besuch endet auf jeden Fall erst, wenn das Pflegepersonal oder der Patient Dich hinauswirft!
(Wobei mich das auch selten gekümmert hat und ich heimlich geblieben bin ... )

Die Situation ist Drama genug! Mache es nicht durch Deine eigene Traurigkeit und Deinen Schock noch schlimmer. 
Sei das wohltuende "Normale".

Stufe III: Die härteste Übung: die Chemotherapie.
Die Chemo´s sind sehr unterschiedlich. Mein Onkologe sagte mir mal, dass es über 2.400 Medikamente zuzüglich unzähliger Kombinationen und Dosierungen gibt.
Jede wirkt anders und jeder Patient reagiert anders. Der eine merkt nichts bis wenig und der andere ...

Es gibt Therapien, die das Wesen des Patienten sehr schnell nach Begin der Verabreichung total verändern. Oftmals werden genau die Wesensmerkmale enorm verstärkt, welche ohnehin vorhanden sind:
So wird beispielsweise ein Patient, der zur Traurigkeit neigt, in der Chemo stark depressiv.
Ein Patient, der Schmerzen kaum ertragen kann, wird vor Schmerzen fast ohnmächtig und stöhnt und schreit fast durchgehend.
Wenn jemand eher reizbar ist, wird er in der Chemo hoch aggressiv und cholerisch.
Und der Angehörige oder Partner*in ist der Blitzableiter.

Manche merken auch nur Müdigkeit und verändern sich überhaupt nicht. Ja, das gibt es sogar sehr häufig, denn die Medikamente verbessern sich von Jahr zu Jahr!

Diese Phasen können über viele Monate oder gar Jahre gehen.
Die Maßgabe vieler Onko-Psychologen in den Reha-Zentren: „Es geht jetzt ausschließlich nur noch im den Patienten! Alle anderen haben zurückzustehen!“. Und die Angehörigen erleben buchstäblich die Hölle auf Erden.
Es ist nachvollziehbar, dass nach Aussagen von Onkologen über die Hälfte der Partner*innen den Patienten in dieser Phase verlassen.
Auch mir wurde auch eindringlich von Freunden und einem Psychologen geraten, mich selber zu schützen und wegzulaufen.
Ich habe es natürlich nicht getan sondern bin heute mit meiner deutlich gesundeten und liebevollen Frau extrem glücklich!

Denn es ist zwar nicht einfach, aber als Partner muss man sich nur vor Augen halten, dass diese Wesensveränderungen NICHT die des Menschen sind, in den man sich einst verliebt hat, sondern die Auswirkungen des ungeheuren Kampfes, der im Körper der/des Liebsten tobt. 

Einfach auf Durchzug schalten, aushalten, nicken und gehorsam sein!

Es geht vorbei!

Das macht man so in einer Herde!

 
Zusammengefasst:
der/die Angehörige und Partner*in ist in einer furchtbar einsamen, ohnmächtigen und „kleinen“ Position. 
Das muss nicht sein!
Sprecht mit anderen über Eure Empfindungen, Belastungen und Gedanken, die dieses genauso durchgemacht haben.
Nur das hilft.
 
Natürlich gibt es noch sehr viele andere Tipps und Hilfestellungen.